EIN ZAHNLOSER TIGER GEGEN NAHRUNGSMITTELSPEKULATIONEN

Europa

Die neuen Bestimmungen der EU-Kommission zur Finanzmarktrichtlinie werden zukünftige Exzesse bei Nahrungsmittelspekulationen nicht verhindern können. Um den entsprechenden Vorschlag im Plenum zurückzuweisen, fehlten uns SozialdemokratInnen die Stimmen der Liberalen und der Konservativen.

Die Finanzmarktkrise im Jahr 2008 ging auch mit exzessiven Nahrungsmittelspekulationen einher. Damals führten die Wetten auf Getreide, Mais und andere Grundnahrungsmittel zu vorher nicht gekannten Wucherpreisen auf den Agrarmärkten. In Ländern, die auf den Import dieser Güter angewiesen waren, führten die Spekulationen zu Unruhen. Denn für viele Millionen Menschen in den Ländern des globalen Südens sind die Nahrungsmittelpreise eine Frage des Überlebens.

Im Durchschnitt geben in einigen dieser Länder die Menschen bis zu 75 Prozent ihres Einkommens für Nahrungsmittel aus. Ein stabiler Preis für diese ist daher existentiell. Nahrungsmittelspekulationen an sich übrigens auch. Denn nur so können sich Bauern oder die Nahrungsmittelindustrie gegen etwaige Preisschwankungen absichern. Was wir beim Handel mit Nahrungsmitteln nicht brauchen, sind Finanzexzesse wie wir sie bei anderen Produkten beobachten können.

Daher entschied sich die Europäische Union dazu, die Finanzmärkte mit der sogenannten Finanzmarkt-Richtlinie an die kurze Leine zu legen. Das Gesetzespaket sollte die Finanzmärkte mit neuen Regeln transparenter machen und exzessiven Nahrungsmittelspekulationen einen Riegel vorschieben.

Schwache Positionslimits machen Weg für Nahrungsmittelspekulationen frei Die Regulierungsstandards zu der Umsetzung der Finanzmarktrichtlinie wurden von der EU-Kommission am 1. Dezember 2016 verabschiedet. Diese führen sogenannte Positionslimits ein. Positionslimits geben vor, wie hoch der Marktanteil eines Händlers oder einer Gruppe von Händlern an einem einzelnen Rohstoff sein darf. Dass es überhaupt ein Limit gibt, ist übrigens ein Verdienst der Bemühungen des Europäischen Parlaments im Gesetzgebungsprozess.

Hintergrund für die Positionslimits ist, dass wir als gesetzgebende Instanz verhindern wollten, dass einige wenige Händler den Marktpreis durch den Aufkauf eines Großteils des Rohstoffes diktieren können. Die EU-Kommission war beauftragt, die Höhe dieses Positionslimits festzusetzen. Nach dem Vorschlag, sollen nun unter bestimmten Voraussetzungen Positionslimits in Höhe von bis zu 35 Prozent möglich sein. Das heißt, 35 Prozent des lieferbaren Mais oder Weizen könnten in der Hand eines einzigen Spekulanten landen. Drei Spekulanten könnten dadurch theoretisch am Ende eines Termingeschäfts den weltweiten Markt an lieferbaren Weizen bestimmen.

KONSERVATIVE UND LIBERALE KNICKEN VOR FINANZMARKT-LOBBY EIN

Wir SozialdemokratInnen finden, dass diese Maßnahmen auch zukünftige Nahrungsmittelspekulationen nicht verhindern werden. Der ursprünglich wirkungsvolle Kompromiss des europäischen Gesetzgebers wird verwässert und zum zahnlosen Tiger.

Deshalb haben wir uns in der vergangenen Straßburgwoche gemeinsam mit der Fraktion der Linken und der Grünen gegen diesen Vorschlag gestellt und ein Positionslimit von 10 - 15 Prozent gefordert. Leider fehlte uns für die Zurückweisung des Kommissionsvorschlages die absolute Mehrheit des Plenums.

Die Stimmen der Konservativen und Liberalen hätten wir dafür bitter nötig gehabt. Auch die vom konservativen Berichterstatter Markus Ferber (CSU), der sich gegen zu strenge Regeln ausgesprochen hatte. Die konservative EVP, zu der auch die CSU gehört, sowie andere Fraktionen machten sich in ihrer Begründung die Argumente der Finanzmarkt-Lobby zu Eigen.

Die gute Nachricht ist, dass auch die nationalen Behörden in der Frage um die Positionslimits noch einen gewissen Spielraum haben. Zudem könnte die Bundesregierung bis zum 1. März im Europäischen Rat dem Kommissionsvorschlag widersprechen. Bisher deutet allerdings nichts darauf hin, dass sie das auch tun wird.

 
 
 

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