75 Jahre Ermächtigungsgesetz

Allgemein


Im August 1933 wurde Otto Wels die deutsche Staatsbürgerschaft aberkannt. Er musste ins Exil.

Von Susanne Kastner, Vizepräsidentin des Deutschen Bundestages, Heidi Wright, Frank Hofmann, und Walter Kolbow:

"Vor jeder Fraktionssitzung gehen wir an ihnen vorbei. 94 Namen in schwarzer Schrift auf weißem Grund fangen den Blick der SPD-Bundestagsabgeordneten, bevor wir den Otto-Wels-Saal betreten. Es sind die Namen der SPD-Reichstagsabgeordneten, die am 23. März 1933 geschlossen gegen das Ermächtigungsgesetz gestimmt haben. Die 94 Gegenstimmen der SPD-Fraktion blieben die einzigen.

Nach der Reichstagswahl vom 5. März 1933 waren 120 SPD-Abgeordnete in das Parlament der Weimarer Republik eingezogen. Als knapp drei Wochen später über das Ermächtigungsgesetz abgestimmt wurde, konnten 26 von ihnen nicht anwesend sein. Entweder waren sie aus Angst vor Repressalien geflohen oder bereits inhaftiert worden.

Einer von ihnen war Fritz Soldmann. 1878 in Lübeck geboren trat der Schuhmacher nach Ende seiner Wanderschaft der Gewerkschaft und der SPD bei.1905 wurde er Mitglied des Schuhmacherverbandes in Schweinfurt, später zweiter Vorsitzender der Arbeiter-, Bauern- und Soldatenräte Bayerns. Positionen als Volksbeauftragter für Inneres der Münchner Räterepublik, Stadtverordneter in Schweinfurt und Landessekretär der USPD bzw. der SPD folgten. Von 1920 bis 1924 und 1932 bis 1933 saß Soldmann für Franken im Reichstag. Am 9. März 1932 wurde er in "Schutzhaft" genommen. Es folgten Verhaftungen und Internierungen in Gefängnissen und Konzentrationslagern. Soldmann erlebte die Befreiung Buchenwalds durch US-Truppen im April 1945, erlag jedoch zwei Wochen später den Folgen seiner Haft. Heute erinnern eine Gedenktafel am Berliner Platz der Republik und eine nach ihm benannte Straße in Schweinfurt an den SPD-Politiker, der für seine Überzeugungen eintrat und dafür mit dem Leben bezahlte.

Auch andere SPD-Mitglieder kam das Eintreten für ihre Überzeugungen teuer zu stehen.

Felix Fechenbach - 1894 in Bad Mergentheim geboren - durchlief eine kaufmännische Ausbildung in Würzburg. Er engagierte sich im Arbeitersekretariat und in der Jugendsektion der SPD. Nach dem ersten Weltkrieg und einer Tätigkeit als Staatskanzleisekretär in Kurt Eisners Räterepublik, arbeitete Fechenbach als Journalist für den "Vorwärts" und das Detmolder "Volksblatt". Im Januar 1933 veranlasste die NSDAP zu-nächst ein Redeverbot, kurz darauf "Schutzhaft" für Fechenbach. Im August 1933 wurde er auf dem Transport ins KZ Dachau erschossen.
Offiziell ein verhinderter Fluchtversuch, war es vielmehr eine Hinrichtung.

Lorenz Breunig kam 1882 in Weilbach, Landkreis Miltenberg, zur Welt. Als Angestellter der Eisenbahnverwaltung engagierte er sich im Arbeiterrat.
Von 1920 bis 1924 vertrat Breunig die USPD, später SPD, im Reichstag. Ab 1933 war er im Widerstand aktiv. So verhalf er jüdischen Bürgern nach der Reichspogromnacht zur Flucht. Sein Engagement brachte ihn ins KZ Sachsenhausen, wo er im Februar 1945 ermordet wurde.

Die 94 Namen am Eingang unseres Sitzungssaales im Berliner Reichstagsgebäude sind uns Mahnung und Erinnerung an unsere Vorgänger, die ihr Leben für ihre Ideale riskierten - stellvertretend für alle Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten, die im Nationalsozialismus Leid und Tod erfuhren."

 
 
 

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