Kaufkraftverlust und Hungersnöte

Allgemein

Steigende Lebensmittelpreise

"Was sich in den Industrieländern als Beunruhigung über die Kaufkraft bemerkbar macht, bedeutet in den Entwicklungsländern Hungersnöte,“ sagt EU-Entwicklungshilfekommissar Louis Michel und warnt angesichts der weltweit gestiegenen Lebensmittelpreise vor einem "humanitären und wirtschaftlichen Tsunami".

"Dies ist das neue Gesicht des Hungers - Millionen Menschen, die vor sechs Monaten noch nicht unter akutem Hunger leiden mussten, tun es nun", sagte die Exekutivdirektorin des Welternährungsprogramms der Uno (WFP), Josette Sheeran am Mittwoch. Von einem "humanitären und wirtschaftlichen Tsunami", sprach EU-Entwicklungshilfekommissar Louis Michel und kündigte an, EU-Lebensmittelhilfen für Entwicklungsländer zu erhöhen. Sheeran hingegen forderte langfristige Problemlösungen.

Debatte um Biosprit

Thilo Bode, Geschäftsführer des Verbraucherverbandes Foodwatch, kritisierte in der ARD die Biosp
rit-Produktion. Nicht die steigende Nachfrage in China und Indien seien die Ursache die hohen Lebensmittelpreise, sondern seien darauf zurückzuführen, dass die USA einen Großteil der Maisernte für Biosprit verwendet hätten. "Die EU hat dieselben Pläne, und wenn diese Pläne umgesetzt werden, wird es in der Tat weltweit zu Preissteigerungen bei Getreide kommen", warnte Bode und kritisierte gleichzeitig die Agrarpolitik und Subventionspraxis der Industrieländer. Jährlich förderten die Industrieländer ihre Agrarwirtschaft mit 350 Milliarden Euro.

Agrarsubventionen in der Kritik

Auch der SPD-Politiker Volker Hauff, der als Vorsitzender des Rats für
Nachhaltigkeit die Bundesregierung berät, forderte einen Kurswechsel in der europäischen Agrarpolitik und einen Abbau von Subventionen: „Die EU darf sich nicht länger abschotten und muss ihre Märkte für Importe aus den Entwicklungsländern öffnen“, sagte er in der "Welt". Gleichzeitig müssten die Industriestaaten die Landwirtschaft in den Entwicklungsländern stärken und die Dörfer wieder attraktiv machen, fügte er hinzu.

Über Subventionen verbilligte Exporte der Industrieländer haben in der Vergangenheit dazu geführt, dass in einigen Entwicklungsländern die Landwirtschaft nicht mehr konkurrenzfähig ist. In einer Statistik zählt die UN-Agrarorganisation FAO insgesamt 82 Länder auf, in denen es gravierende Defizite bei der Nahrungsmittelproduktion gebe.

Entwicklungshilfeministerin Heidemarie Wieczorek-Zeul (SPD) hatte bereits in der vergangenen Woche erklärt, dass die betroffenen Länder wieder stärker in die Landwirtschaft investieren müssten. Indien und China hätten ihre Haushaltmittel für die Landwirtschaft bereits um rund 20 bis 30 Prozent erhöht. Auch sie forderte, die Krise zum Anlass zu nehmen, „endlich die Agrarexport-Subventionen abzuschaffen. Sie sind ein Hemmnis und demotivierend für die Bauern in Entwicklungsländern, sagte sie der „Berliner Zeitung“.

Hunger-Nothilfe aufgestockt

Nach der Bundestagssitzung am Mittwoch, bei der es in der Debatte um das Problem Hunger ging, hat Bundesentwicklungsministerin Heidemarie Wieczorek-Zeul angekündigt, die Nahrungsmittel-Nothilfe um zusätzliche 10 Millionen Euro aufzustocken.
Um akute Hungerkatastrophen zu verhindern habe sie auf "schnelle Antworten" gedrängt, sagte Heidemarie Wieczorek-Zeul. Sie wies darauf hin, dass auch andere Länder dem Aufruf des Welternährungsprogramms zu mehr internationaler Hilfe nachkommen und rief die Staatengemeinschaft zu weiterem gemeinsamen Handeln auf.

Bereits im März 2008 hatte das Bundesentwicklungsministerium die Nahrungsmittel-Nothilfe zusätzlich zum jährlichen Beitrag von 23 Millionen Euro für das Welternährungsprogramm um 3 Millionen Euro und im April um weitere 10 Millionen Euro erhöht.

Nahezu alle afrikanischen Länder sind Nettoimporteure von Nahrungsmitteln. Nach Angaben der Weltbank drohen bereits in 33 Ländern Unruhen und Instabilität auf Grund der Preissteigerungen. Für viele Länder befürchtet sie, dass durch die gestiegenen Nahrungsmittelpreise die Fortschritte der letzten fünf bis zehn Jahre beim ersten Millennium Entwicklungsziel - die Halbierung von Armut und Hunger - in kürzester Zeit wieder zunichte gemacht werden.

 
 
 

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